Stelenprojekt

Vergangenheitsbewältigung

Wie hat alles begonnen? Als die Zahl der Schulkinder in Feldmoching und der GastschülerInnen aus der Lerchenau, der Fasanerie und dem Harthof immer weiter stieg, wurde das Schulhaus, der heutige Altbau, zu klein.

Auf der Westseite des neuen Schulhauses wollten die Architekten eine große Sonnenuhr anbringen. Doch der Maler Josef Mader hatte eine andere Idee: Mit Adler, aufgehender Sonne und dem Spruch „Das Volk verjüngt sich ewig in seiner Jugend“ sollte die Überlegenheit des nationalsozialistischen Deutschlands ausgedrückt werden.

Fassade_klein

Über 70 Jahre befand sich das Mosaik nahezu widerspruchslos an der Wand, meist ohne dass den Menschen der historische Hintergrund bewusst war. Bevor es bei den Umbauarbeiten 2011 unter einer Wärmedämmung verschwand, konnte der Förderverein der Grundschule, unterstützt von der Stadtverwaltung, der Schulleitung, den Elternbeiräten und vielen Spendern, eine künstlerische Antwort in Gang setzen: als Mahnung aus der Vergangenheit und als Hoffnung für die Zukunft.

Kunst zum Anfassen

 Was ist entstanden? Der Bildhauer Franz Weidinger schuf nach diesen Vorgaben Kunst auf Augenhöhe. Mit Unterstützung der Schul- und Kindergartenkinder entstanden sieben Stelen mit Bronze-Tierköpfen zum Anfassen, Spielen und Begreifen.

Umgang mit der Fassade aus der NS-Zeit

Sponsoren-Anschreiben

Tierstelen mit großem Schulfest eingeweiht

art_tier

Es entstand die Idee, die martialischen Adler gleichsam von der Wand zu holen: Der in der Nazizeit wie so vieles missbrauchte Adler sollte im Pausenhof umgeben werden von Einhorn, Hase, Fuchs … Tiere, die in Geschichten und Fabeln für positive Eigenschaften stehen. Sieben Tiere wurden es letztlich, gegossen in Bronze vom Künstler Franz Weidinger aus der Oberpfalz, auf Stelen nun nach längeren Diskussionen mit Gartenbau, Schulreferat und Künstler platziert im Pausenhof.
Interessierte Kinder hatten im Sommer 2012 gemeinsam mit dem Künstler in einem Workshop Tiere gestalten dürfen, die als Vorlage für drei der sieben Bronzefiguren dienten. So kam auch der Hahn zu einem Stelenplatz – passend zum „Dorf“ Feldmoching, wie die Kinder meinten.

Am Freitag, den 19. Oktober nun wurden die Tierstelen (aber vor allem diejenigen, die in der Schule lehren und lernen) von Pfarrer Markus Eberle und Pfarrer Johannes Kurzydem zusammen mit den neuen Kreuzen, die der Elternbeirat den Klassen gespendet hatte, im Rahmen eines fröhlichen Schulfestes gesegnet. Trotz der Vormittagsstunde kamen auch viele Erwachsene, die das Fest bei herrlichem Herbstwetter gleichfalls sehr genossen.
Die Kindergarten- und Schulkinder hatten „tierisch gute“ Lieder einstudiert und ertrugen mehr oder weniger geduldig die zu einem solchen Anlass zunächst notwendigen Reden der Erwachsenen, in denen die vorbildliche Auseinandersetzung mit dem zur Nazizeit vom Maler und Grafiker Joseph Mader entworfenen Mosaik rekapituliert und gelobt wurde. CSU-Stadträtin Mechthilde Wittmann, auf die Schnelle eingesprungen, lobte beispielsweise das in München einzigartige Projekt, das feinsinnig und doch kindgerecht angelegt und ein großes Aushängeschild für den Schulbetrieb sei. Carolin Angele vom Referat für Bildung und Sport, das die Skulpturen mit einem „respektablen Betrag“ sponserte (daneben spendeten unter anderen die Raiffeisenbank München-Nord und Klaus Meller) zeigte sich begeistert von der Idee Kunst zum Anfassen für Kinder. Und Reinhard Jakob, Vorstand im Förderverein der Grundschule und Historiker, dem das Mosaik beim ersten Betreten der Schule vor 13 Jahren nach eigenem Bekunden beinahe die Sprache verschlagen habe und der seither dafür plädierte, eine Antwort auf die Botschaft an der Wand zu finden, ging in seinem Vortrag noch einmal auf die Geschichte des Mosaiks ein.

Und endlich hatten die Kinder zusammen mit Gerhard Holz ihren großen Auftritt: Sie sangen mit viel Freude das Lied „Fuchs, Hos, Löw und Stier, Gickerl, Adler, Fabeltier“, frei nach „Sepp, Depp Henadreck“ von der Biermösl Blosn, verfasst von der Schulleiterin Gabriele Bayer-Maier.

Fuchs, Hos, Löw und Stier,

Gickerl, Adler, Fabeltier


 Da Adler, ja da Adler

is jetzt weg vo dera Wand

wo´s Mosaik, wo´s Mosaik

guad 70 Jahr lang stand!

As Einhorn, ja as Einhorn

schaug des stellt se glei dazua

das des Symbol füa´s Guade is

woas a Madl und a Bua!

Da starke Stier, da starke Stier,

der steht jetzt aa danebn,

bei uns g´heard der zur Tradition

bei de Bauern derf er lebn!

 Da Gickerl, ja der Gockerl,

schaugt wia´ra strenga Lehra aus,

der passt guad auf, der passt guad auf,

de Bösn schmeißt a raus!

Da Löwe steht für Bayern

und steht mächtig aa im Zoo,

im Schuihof is a Bronzetier,

d´Schuikinda glangan dro!

De Hosn, ja de Hosn

kemman noch´m Gastschui-Gsuach,

de hoppeln mit de Rolla täglich

unterm Bahngleis durch!

Fuchs und Hosn, Fuchs und Hosn,

ja de sogn se: „Guade Nacht!“

Vom Freundeskreis am Jakob Dank:

„Historisch ois durchdacht!“

Refrain:

Fuchs, Hos, Löw und Stier,

Gickerl, Adler Fabeltier,

Franz Weidinger und d´Werk-AG

de Kunst de is so schee,

de Kunst de is so schee!

„De schlimme Zeit: Vergangenheit!

De is zum Glück vorbei!“

„Mia integriern und inkludiern,

koa Spruch is mehr dabei!“

„In da Feldmochinga Schui

hamma jetzt a bessas Gfui!“

P.S.: Die Schulkinder nehmen die Kunst ganz offensichtlich bereits gut an und integrieren die Tierstelen in ihr Spiel – der niedliche Hase hat schon eine etwas blank gerubbelte Nase!

Stelenbesichtigung durch Frau Dr. Charlotte Knobloch

Artikel SZ/LA24.muc.de/Münchner Wochenanzeiger zum Stelenprojekt

7 Stelen – 17 Geschichten

KunstprojektAufmacher

Vor allem Einhorn, Hase und Löwe beflügelten ganz offensichtlich die Fantasie der Geschichtenerzähler „Wie der Löwe nach Feldmoching kam“, „Die Geschichte des Stelenlöwens“, die „Vollmondnacht und das Einhorn“, aber auch „Als der Gockel von der Kirchturmspitze fiel“ und „Der Stier lernt Autofahren“ – so lauten einige der durchweg höchst fantasievollen Geschichten. Denn abends werden die Tiere auf dem Pausenhof oft lebendig: Da bekommt der Gockel Hunger und will seinen Kollegen auf der Kirchturmspitze besuchen; da fliegt das Einhorn mit Freunden herum; da plaudern die Tiere über das, was sie tagsüber als „Wächter“ des Schulhofs erleben („Einmal saß ein Junge in der Pause am Fuß meiner Stele. Er war traurig und allein, weil die Kinder ihn nicht mitspielen ließen …“). Oder sie erzählen Geschichten von früher.
Kunstprojekt3TextRund 125 Kinder, also die Hälfte der Schulbelegschaft, folgten dem Aufruf des Fördervereins, griffen vor Ostern zu Füller und Bleistift und schrieben eine Geschichte. Manche reichten auch ein Bild ein. Pro Jahrgangsstufe wählte der Vorstand des Fördervereins die besten Geschichten aus und eine ehemalige „Schülermama“, die Grafikerin Julia Parker, verpackte die Geschichten samt den Erläuterungen zum Kunstprojekt und dem „Stelen-Gstanzl“ von Rektorin Gabriele Bayer-Maier optisch ansprechend in ein Layout.
Die Autoren beziehungsweise Zeichner wurden am Donnerstag, den 5. Juni für ihren erfolgreichen Beitrag offiziell belohnt. Sie erhielten ein Exemplar und einen Büchergutschein über 10 Euro von der Oberschleißheimer Buchhandlung „Bücher am Schloss“. Die anderen Kinder erhielten eine Teilnahmeurkunde und einen Packen Buntstifte.
Die Schule hat das Büchlein, das für 5 Euro an der Schule zu erwerben ist, übrigens bei zwei Wettbewerben eingereicht: zum einen für den Simon-Snopkowski-Preis (der Arzt war von 1971 bis zu seinem Tod 2001 Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde und der nach ihm benannte Preis wird seit 2006 alle zwei Jahre für Arbeiten zur jüdischen Geschichte und Kultur an Schulen vergeben) und zum anderen für den Geschichtenwettbewerb „Wir in München…“ der PA/Spielkultur, wo vor allem Fantasiegeschichten gefragt sind.

Synagogenbesuch

Am 17.7.2014 durften Schüler und Schülerinnen der vierten Klassen auf Einladung von Frau Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern die Synagoge in München besuchen.

Begleitet wurden die Kinder von der Rektorin Frau Bayer-Maier, den Lehrkräften Frau Tschaschel und Frau Spitzenpfeil sowie Frau Hauptvogel und dem Bildhauer Franz Weidinger.

Die kindgerechte Führung war sehr beeindruckend. Sogar der Toraschrank wurde für die Kinder geöffnet.

Frau Knobloch, die zum Imbiss eingeladen hatte, war persönlich anwesend. Bei dieser Gelegenheit wurde ihr von Frau Bayer-Maier ein Exemplar unseres Stelenbuches überreicht.